Digitaler Schulbesuch – Online-Treffen mit Expert*innen

Digitaler Schulbesuch – Online-Treffen mit Expert*innen

Prof. Karin Bräu, Marcel Georg und Leonora Nieling haben das bildungswissenschaftliche Seminar „Leistung, Differenzierung, Beratung: Innovative Schule - Lernreise“ für das Sommersemester digitalisiert. Theoretische Grundkonzepte wurden hier an einem spezifischen Schulkontext transparent gemacht. In Videokonferenzen mit ausgewählten Schulen konnten Studierende ihre ausgearbeiteten Fragen stellen und auf diese Weise Erkenntniszuwachs gewinnen. Trotz der herausfordernden und vollständig asynchronen Umsetzung konnten insgesamt Atmosphäre, Konzeption und Praxiserfahrungen generiert werden.  

Als klar wurde, dass dieses Semester komplett digital ablaufen würde, was haben Sie persönlich zunächst als größtes Problem angesehen, was waren Ihre größten Bedenken?

Das Format „Prinzip Lernreise“ funktioniert so, dass zunächst theoretische Grundkonzepte als Vorbereitung auf einen tatsächlichen Schulbesuch vermittelt werden. Die Hospitation an Schule, die ein besonderes pädagogisches Konzept leb, stell anschließend ein Kernelement dar – dies nicht umsetzen zu können, war natürlich zu Beginn ein Schock.

Auch basiert das Prinzip Lernreise darauf, dass wir versuchen, die Gruppe miteinander vertraut zu machen. Viele unserer Methoden und inhaltlichen Ziele basieren darauf, dass die Studierenden sich austauschen, gegenseitig ihre Vorannahmen irritieren und daran wachsen können.

Was haben Sie konkret unternommen, wie war Ihr Vorgehen?

Wir haben überlegt, ob eine Schulhospitation trotzdem stattfinden kann und das Konzept des „digitalen Schulbesuchs“ entwickelt. Während wir bei den ursprünglich für das Seminar geplanten Eintageshospitationen Schulen aus der Region angefragt hatten, so konnten wir nun natürlich deutschlandweit schauen und haben direkt eine Reihe von Schulen angeschrieben. Und tatsächlich – insgesamt vier Schulen hatten Zeit & Lust, sich mit den Fragen der Studierenden zu gelingender Schule auseinanderzusetzen. Jeweils Vertreter*innen aus der Schulleitung, aus dem Kollegium und in einem Fall auch der Schüler*innen trafen sich per Videokonferenz mit einem Teil der Studierenden.

Aber zunächst zum Aufbau des gesamten Seminars:

Das Seminar bestand aus mehreren thematischen Blöcken zur Einführung in die Themengebiete Schulentwicklung an der Einzelschule und Schulentwicklung hinsichtlich eines diskriminierungskritischen Umgang mit Heterogenität. In jedem Block gab es Texte und andere Materialien, die entweder in Einzelarbeit oder als Gruppe, die wir vorab zusammengestellt hatten, bearbeitet werden sollten. Diese Teile des Seminars waren asynchron organisiert, so dass für jedes Thema 2-3 Wochen Zeit war. Da wir uns bewusst waren, dass es ein enormer Mehraufwand für Studierende, als auch Dozierende sein wird, haben wir unser vorbereitetes Material noch einmal genau angeschaut und hier und da kleine Kürzungen vorgenommen. Insgesamt wollten wir durch die Umstrukturierung auf Blöcke den Studierenden mehr zeitliche Gestaltungsräume bieten, waren aber in der ursprünglich angedachten Seminarzeit auf Teams verfügbar, sozusagen als Sprechstunde.

Die Gruppenaufgaben beinhalteten immer eine vorhergehende Auseinandersetzung der bearbeiteten Texte/Aufgaben, bevor sie dann in der Kleingruppe (maximal 5 Personen) besprochen werden konnten. Wir haben versucht, die Aufgaben so zu stellen, dass zwingend ein Austausch über die Inhalte erfolgen musste. Denn die nur subjektiv zu beantwortende Frage nach der „guten Schule“ und der Austausch darüber, sollte weiterhin im Mittelpunkt stehen.

Auch war es uns wichtig, immer eine Rückmeldung zu den Aufgaben zu schreiben. Auf Grund der Menge ist uns dies leider nicht immer direkt gelungen, aber mit dem Ende des Semesters hatten wir zu allen Aufgaben zusammenfassende Rückmeldungen geschrieben, so dass die Studierenden eine Orientierung für die Modulabschlussprüfung hatten.

Der digitale Schulbesuch, die vorbereitende Sitzung und die Abschlusssitzung waren die einzigen synchron stattfindenden Sitzungen, wir benutzten dafür MS Teams. Gleichzeitig haben wir den JGU Reader genutzt, um auch altbekannte Elemente, gerade für den Start des Seminars, weiterzuverwenden. Im Reader waren verschiedene Materialien zu finden: PowerPoint Präsentationen, ein Begrüßungsvideo, ein Lehrvideo sowie Texte in Einzel und Gruppenarbeit.

Um die digitalen Schulbesuche vorzubereiten, sammelten und strukturierten die Studierende Fragen, die sie den Akteur*innen vor Ort stellen wollten und die wir diesen vorab geschickt haben. Auch wenn eine Videokonferenz mit Vertreter*innen einer Schule nicht dasselbe sind, wie ein realer Schulbesuch, waren wir überrascht, wie viel Atmosphäre, Konzeption und Praxiserfahrungen einer Schule auch auf diesem Weg vermittelt werden konnte und wie viel Ernsthaftigkeit bei der Auseinandersetzung mit ungewohnten Schulkonzepten die Studierenden gezeigt haben.

Was haben Sie persönlich für Ihre Lehrtätigkeit mitgenommen? Was ist aus Ihrer Perspektive die größte Chance für den Einsatz von digitaler Lehre insgesamt?

Das Zuschalten von Expert*innen. Das ist nicht nur – wie in unserem Fall – auf Schulen bezogen, sondern auch sonst ist es mit einer einfachen digitalen Schalte natürlich viel leichter, den/die Expert*in in den Seminarraum zu holen. Und aus der Perspektive von Personen, die bereits Lernreiseerfahrung gemacht haben, ist ein digitaler Schulbesuch genauso beeindruckend wie das analoge Schulleitungsgespräch.

Welche Herausforderungen sehen Sie zum jetzigen Zeitpunkt für einen nachhaltigen Einsatz von digitaler Lehre im nächsten Semester und in der Zukunft? Was ist nötig, um diese erfolgreich zu bewältigen?

Am Ende des Seminars hatten wir die Studierenden gebeten, einen Rückmeldebogen auszufüllen. Dadurch wurde uns bewusst, dass unser Schwerpunkt, die Gruppenarbeiten, sehr unterschiedlich wahrgenommen wurden. Manche hatten eine super Gruppe, manche waren unzufrieden und manche haben auch offen zugegeben, dass es in manchen Phasen des Semesters tatsächlich einfach zu viel war und sie in einen Abarbeitungsmodus gefallen sind. Das lässt sich vielleicht nicht ganz vermeiden, aber da werden wir noch genauer überlegen, mit welchen Aufgaben einem Abarbeiten entgegengewirkt werden kann.

Was den Umfang von Aufgaben betrifft, müssen sicher alle Dozent*innen hinzulernen – wir sind aber optimistisch, dass sich ein Konsens über eine Reduzierung der zu bearbeitenden Menge an Inhalten und Aufgaben einstellen wird.

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