Interview „Einführung in die Schulpädagogik“

Interview „Einführung in die Schulpädagogik“

Stephan D. Müller aus der AG Schulpädagogik am Fachbereich 02 hat sein Seminar „Einführung in die Schulpädagogik“ für das Sommersemester digitalisiert. Wir sprachen darüber, wie die Vorbereitung und Durchführung des die Vorlesung „Einführung in das Studium der Bildungswissenschaften“ begleitende Seminar konkret ausgesehen hat und über Chancen und Herausforderungen der digitalen Lehre allgemein.

Als klar wurde, dass dieses Semester komplett digital ablaufen würde, was haben Sie persönlich zunächst als größtes Problem angesehen, was waren Ihre größten Bedenken?

S.D.M.: In Kombination mit der Vorlesung bilden die beiden Einführungsveranstaltungen für viele Lehramtsstudierende einen, wenn nicht sogar den ersten Berührungspunkt mit universitärer Lehre. Oder, wenn man es etwas allgemeiner betrachtet, zur Universität als Bildungsinstitution mit all Ihren Einrichtungen und Facetten. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die heterogenen schulischen oder zum Teil auch beruflichen Vorerfahrungen der Studierenden lag sicher eine der größeren Herausforderungen in der Gestaltung des Einstiegs in die jeweils individuellen Studierendenbiographien.

Während in einem regulären Präsenzsemester zusätzlich zu den eigentlichen Inhalten der Lehrveranstaltung Lernprozesse durch direkte Interaktion entstehen, müssen diese für das digitale Sommersemester gesondert in den Blick genommen werden. Ähnlich wie die direkte Interaktion mit den Lehrenden trägt der unmittelbare Kontakt zu anderen Studierenden, beispielsweise über daraus hervorgehende Lern- und Arbeitsgemeinschaften, zur Ausbildung einer wissenschaftlichen Arbeits- und Diskussionskultur bei.

Wie sind Sie also konkret vorgegangen? Welche Methoden haben sie verwendet, welche Tools haben Sie eingesetzt?

S.D.M.: Die primäre Frage war für mich zunächst nicht, über welche Tools ich bereits bestehende Lehrinhalte vermitteln möchte. Vielmehr waren meine Überlegungen deutlich umfassender. Dabei war es mir auch wichtig, immer wieder die Studierendenperspektive einzunehmen, also mir gezielt die Frage zu stellen: „Was muss ich als Studienanfänger können und wissen, um im digitalen Semester gut zurecht zu kommen?“ Erst im zweiten Schritt habe ich mich auf die Suche nach den passenden Tools gemacht.

Besonders zu Beginn des Semesters war es mir daher wichtig, klare Strukturen vorzugeben. Im Anschluss an die erste Kontaktaufnahme über die universitären E-Mailadressen erfolgte die erste, synchrone Seminareinheit via Skype for Business. Zusätzlich zu der online Teilnahme bietet das Konferenzsystem die Einwahlmöglichkeit über ein Festnetztelefon. Dadurch konnte ich allen Studierenden unabhängig von ihrer Hardwareausstattung einen niedrigschwelligen Zugang zu meiner Lehrveranstaltung ermöglichen.

Der Fokus der ersten Sitzung lag auf der Identifizierung der Bedarfe der Studierenden, der Klärung von Zugangshürden und des weiteren Vorgehens im Seminar. Für die erste Seminarhälfte wurden zudem Lerntandems gebildet, um den direkten Kontakt der Studierenden zueinander auf einer digitalen Ebene zu fördern. Neben der inhaltlichen Aufarbeitung eines zentralen Grundlagentextes erhielt jedes Tandem darüber hinaus die Aufgabe, sich mit einem digitalen Tool oder einer Institution der Universität dezidierter auseinanderzusetzen. Sie fungieren im weiteren Verlauf als Expertenteam und eine Anlaufstelle für Fragen ihrer Mitstudierenden.

Über das Lernmanagementsystem der JGU zur Verfügung gestellte Materialien bilden die Grundlage asynchroner Lerneinheiten. Die dort hinterlegten Texte, Mindmaps und Videos dienen zum einen als Möglichkeit, die Inhalte aus der Vorlesung zu vertiefen und durch die daran geknüpften Reflexionsfragen die kritische inhaltliche Auseinandersetzung zu fördern. Sie bilden darüber hinaus die Vorbereitung für die synchron stattfindenden Seminarsitzungen. Auf dieser Diskussionsgrundlage wurde bspw. die Methode des Teampuzzles so modifiziert, dass sie über die Verwendung von BigBlueButton und den dort vorhandenen Breakout-Räumen angewendet werden konnte.

Was haben Sie persönlich für Ihre Lehrtätigkeit mitgenommen? Was ist aus Ihrer Perspektive eine Chance für den Einsatz von digitaler Lehre?

S.D.M.: Das Sommersemester hat neben dem großen Potenzial digital gestützter universitärer Lehre auch Herausforderungen offengelegt, die es zu bewältigen galt und gilt. Diese gingen über die notwendige Hard- und Softwareausstattung seitens der Studierenden hinaus. So kann die Entscheidung für den Einsatz bestimmter Plattformen, Tools oder Formate in Einzelfällen eine Barriere darstellen, die einer besonderen Beachtung bedarf. So benötigen beispielsweise Lernvideos für gehörlose Studierende Untertitel.

Erfolgreiche digitale Lehre geht daher meiner Meinung nach weit über die Vermittlung einstmals analoger Lerninhalte hinaus. Zusätzlich zu den zentralen fachspezifischen Inhalten werden perspektivisch weitere Aspekte stärker an Relevanz gewinnen.

Neben dem Wissen ‚um‘ einzelne Institutionen, wie dem Zentrum für Datenverwaltung oder Tools, wie dem Lernmanagementsystem der JGU, rückt vor allem das Wissen ‚wie‘ in den Vordergrund. So kennen vereinzelte Studierende zu Beginn ihres Studiums beispielsweise das Rechercheportal der Universitätsbibliothek. Die für ein Studium notwendigen Recherchestrategien müssen jedoch erst entwickelt werden.

Was brauchen Sie, um digitale Lehre in Zukunft erfolgreich einsetzen zu können?

S.D.M.: Ein Teil von dem, was grundsätzlich für zukünftige digitale Lehre notwendig sein wird, wurde meiner Meinung nach im Verlauf des vergangenen Sommersemesters bereits erfolgreich angestoßen. Neben Informations- und Supportstrukturen, also zentralen Anlaufstellen für Studierende und Lehrende ist es wichtig, in der Breite ein Bewusstsein für die Chancen und Herausforderungen, die mit digitaler Lehre einhergehen, zu entwickeln.

Im nächsten Schritt wird es notwendig sein, die im Sommersemester aus einer Krise heraus entstandenen Erfahrungen systematisch zu bewerten und Erfolgreiches zu Verstetigen. Wenn die so angestoßenen Prozesse sich auch zukünftig am Primat des pädagogisch Sinnvollen und nicht dem des technisch Machbaren orientieren, können sich digital gestützte Formate als Bereicherung bestehender Lehrveranstaltungen etablieren und letztlich zu einem festen und für alle Seiten gewinnbringenden Bestandteil von Studium und Lehre werden.

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