Notfallmedizin an Bord

„Notfallmedizin an Bord“ digitalisiert – Neue Rettungstechniken und Fallbeispiele statt Übungen auf dem Rhein

Dr. Sandra Kurz und Malte Senska aus der Universitätsmedizin haben ihren examensrelevanten Wahlpflichtkurs „Notfallmedizin an Bord“ für das Sommersemester digitalisiert. Wir sprachen darüber, wie diverse Lernziele im digitalen Semester adressiert werden konnten und welche Anwendungen bei der Lernorganisation besonders hilfreich waren.

KT Digitale Lehre: Als klar wurde, dass dieses Semester komplett digital ablaufen würde, was haben Sie persönlich zunächst als größtes Problem angesehen, was waren Ihre größten Bedenken?

S.K.: Zuerst haben wir uns gefragt, welche Lernziele wir wirklich digital abbilden können oder ob wir Kurse verschieben oder streichen müssen? Da wir schon Erfahrungen mit verschiedenen digitalen Lernformen hatten, war uns bewusst welche Probleme und welcher Aufwand auf uns zukommen würden. Zur Unterstützung nahmen wir uns daher Malte Senska dazu. Idealerweise verfügt er neben der E-Learning-Expertise, als aktiver Rettungsschwimmer auch über fachspezifische Kenntnisse, sodass wir dieses Projekt doch starten konnten.

M.S.: Für unseren Kurs „Notfallmedizin an Bord“ haben wir zunächst zwei unterschiedlich gelagerte Probleme gesehen. Einmal gehören zu den Highlights des Kurses zwei Exkursionen, eine zum Druckkammerzentrum in Wiesbaden und dann eine zum Rhein. Bei dieser üben wir mehrere Szenarien mit Notfällen an Bord und im Wasser.. Beide praktischen Bestandteile konnten aufgrund der Abstandsregeln nicht stattfinden. Zum anderen arbeiten die Studierenden normalerweise in dieser einen Woche täglich intensiv in Gruppen zusammen. Herausforderung war hier die Kommunikation und Kooperation zu gewährleisten und die Studierenden zu motivieren.

S.K: Aber wir waren zuversichtlich, dass der Kurs in digitaler Form gut gelingen konnte. Mit diesem Format konnten wir sogar mehr Studierende zum Kurs zulassen, darüber freuten sich die nachgerückten Studierenden, da viele Wahlpflichtangebote nicht stattfinden konnten.

Wie sind Sie also konkret vorgegangen? Welche Methoden haben Sie verwendet, welche Tools haben Sie eingesetzt?

M.S.: Die Inhalte des Kurses, wie auch das Arbeiten mit Fallbeispielen und eine studentische Präsentation waren aus den vergangenen Kursen bekannt. Wir mussten nun schauen wie wir das im JGU-LMS mit all seinen Möglichkeiten abbilden konnten und abwägen, wieviel Material wir den Studierenden bieten konnten, ohne sie zu überfrachten.

Zum Beginn der Woche haben die Studierenden drei Vorträge zu Tauchunfällen gehört und wir konnten spontan noch einen spannenden Vortrag zum Thema Wasserrettung einbringen. Das hat die Exkursionen etwas aufgewogen und sehr gut zum Thema gepasst. Zusätzlich gab es allgemeine Lektürevorschläge, wobei die konkreten Inhalte der

Fallbeispiele z.B. im LMS noch nicht freigegeben wurden, um den Studierenden die Inhalte kontinuierlich nacheinander bereitzustellen.

S.K: Wenn man genauer hinschaut, konnten natürlich psychomotorische Lernziele, also das praktische „selbst Hand anlegen“ nicht erreicht werden. Aber neben den rein kognitiven Lernzielen, konnten wir auf jeden Fall Handlungsoptionen, wie zB. zum Eigenschutz, und eine reflektierte Herangehensweise an Rettungssituationen vermitteln, also affektive Lernziele gut adressieren.

Das Hauptziel war aber, dass die Studierenden ihr bereits vorhandenes und neu erworbenes Wissen anhand der Fallbeispiele anwenden konnten. Die Fallbearbeitung in Gruppen haben wir über BigBlueButton (BBB) und das JGU-LMS organisiert. Wir sind gemeinsam mit einer synchronen Sitzung in BBB gestartet und die Teilnehmenden konnten sich dann über die Wahl der vorbereiteten „Breakout-Räume“ für einen Fall entscheiden. In den Gruppen sollten die Studierenden ihre Zusammenarbeit selbst organisieren. Um nun auf alle fallspezifischen Inhalte zugreifen zu können, mussten sich die Studierenden im JGU-LMS in die entsprechende Gruppe einschreiben.1 Erst nach den Präsentationen wurden alle Fallbeispiele mit ihren Materialien für alle freigeschaltet. Während der Fallbearbeitung, der Präsentation und auch den anschließenden Plenumsdiskussionen war uns die aktive Rolle der Studierenden besonders wichtig. Erfreulicherweise gelang uns ein lebhafter Austausch, sodass wir hauptsächlich nur moderieren und weniger dozieren konnten.

Was haben Sie persönlich für Ihre Lehrtätigkeit mitgenommen? Was ist aus Ihrer Perspektive eine Chance für den Einsatz von digitaler Lehre?

M.S.: In meinen Augen haben sich vor allem die synchronen Treffen in BBB bewährt. Die Kommunikation und Präsentation hat gut funktioniert. Über ad hoc Umfragen und Emoticons konnten Meinungen und Stimmungsbilder abgefragt werden. Die Studierenden haben sich mit dem Präsentationstool auseinandergesetzt und gute Lösungen gefunden- auch eine wichtige Zukunftskompetenz.

S.K: In der Evaluation hat sich gezeigt, dass die Studierenden vor allem von der transparenten Struktur im LMS profitiert haben. Die Lernorganisation und das Arbeiten mit den Fallbeispielen wurden als besonders gut beurteilt. Das Fehlen von praktischen Anteilen wurde natürlich bedauert, aber wir haben schon Ideen entwickelt, wie man Praktisches auch zuhause üben könnte, z. B. vermittelt durch Videoanleitungen.

Blickt man auf das Lehren an unserem Fachbereich, bieten asynchrone Vorlesungen einen großen Vorteil. Normalerweise sind die Kernzeiten von inhaltsorientierten Präsenzvorlesungen besetzt, die Studierenden sitzen während ihrer besten Lernstunden passiv im Vorlesungsraum. Im Austausch mit vielen Lehrenden zeigt sich, dass digitale Lehrformate gut ankommen, die Studierenden sehr gut auf die Praktika und den Unterricht am Krankenbett vorbereiten

und vieles auch in verschiedenen Lehrveranstaltungen beibehalten werden sollte. Auch die in diesem Wahlpflichtfach angewendeten Online Videoseminare kommen sehr gut bei unseren Studierenden an.

Was brauchen Sie, um digitale Lehre in Zukunft erfolgreich einsetzen zu können?

M.S.: Im Bereich der digitalen Prüfungen brauchen wir vor allem Zeit, um die Möglichkeiten und deren Tauglichkeit zur Lernzielprüfung zu erproben. Unsere Lernkontrolle erfolgte als Take-Home-Prüfung im JGU-LMS und erforderte für eine Teilnehmerzahl von circa 20 Personen einen relativ hohen Korrekturaufwand. Eine bessere Kontrollierbarkeit wäre besonders für hohe Teilnehmendenzahlen wünschenswert.

S.K.: Wir müssen prüfen inwieweit Verordnungen in Zukunft gegebenenfalls für die digitale Lehre angepasst werden müssen. Zweitens wäre eine Vereinheitlichung der digitalen Infrastruktur notwendig, um gemeinsam gute Workflows für die Lehre erarbeiten zu können. Mein Ziel ist es, digitale Lernelemente im Sinne von Blended Learning Formaten nachhaltig in der Lehre einsetzen zu können.

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